Weite Kreise un seres Volkes hat heute tiefe Verzweiflung erfam. War
schon nach Ende des ersten Weltkrieges der Boden fUr eine Welt- und
Kulturuntergangsstimmung geebnet, wie sie ihren litera risch-
wissenschaftlichen Niederschlag in Oswald Spenglers ., Dntergang des
Abendlandes" fand, so sind jetzt mehr als damals die Menschen, die sich
wirtschaftlich und kulturell vor ein Nichts gestellt sehen und die oft
geistig und moralisch ihren alten Halt verloren haben, in schwere
ideelle und materielle Not geraten. Der einzige Glaube, den allzu viele
hatten und den sie nicht rechtzeitig als Irrwahn zu er- kennen
vermochten, der Nationalsozialismus, ist klar erkennbar zu-
sammengebrochen, und ihr Ideal: nationalistischer Imperialismus,
gestlitzt auf Militarismus, hat nur schwerste Enttauschungen ge- bracht.
Mit dem Glauben ist ihr Lebenswille zerbrochen; auf die Verherrlichung
der Tat, vom Nationalsozialismus als hochstes ethisches Ideal gepriesen,
folgt nun das entgegengesetzte Extrem: Stagnation und Tatenlosigkeit. So
traurig unsere durch die nationalsozialistische Mmwirtschaft geschaffene
Lage und das allgemeine Bild der Zerstorung auch ist, so darf und mu13
der deutsche Mensch weiterleben, wenn auch in einer von ihm erst zu
schaffenden neuen Umwelt und nach neuen Idealen. Er mu13 sich sein Leben
neu aufbauen und kann dabei eines - an der zunachst trostlosen
Wirklichkeit gelauterten - Optimismus nicht entraten. Deutschland hat
schon mehrfach in seiner Geschichte seine hochsten kulturellen
Leistungen zu Zeiten tiefster politischer Zerrissenheit erlebt.