Beobachtungen zeigen, daß die Winde der Hochatmosphäre sehr wesentliche
Gezeitenanteile enthalten. In der E -Schicht der Ionosphäre liegen die
Geschwindigkeitsamplituden der Gezeitenwinde in der Größen- ordnung 50
bis 100 m sec -1 . Die Frage nach den Ursachen dieser Windsysteme,
insbesondere die Frage der Lokalisierung der Anregung, war bislang
offen. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, daß die
Gezeitenbewegungen in der hohen Atmosphäre durch direkte thermische
Anregung entstehen. Die theoretische Behandlung erfolgt in der linearen
hydromechanischen Näherung, wie sie in der klas- sischen Gezeitentheorie
üblich ist. Als zusätzliche Effekte, die ein unbegrenztes Anwachsen der
Amplitu- den mit der Höhe verhindern, werden Wärmeleitung und Viskosität
berücksichtigt, die in der Ionosphäre zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Zur Vereinfachung des Modells wird angenommen, daß die Atmosphäre im
Grundzustand isotherm ist und als ein ideales Gas mit konstantem
mittlerem Molekulargewicht behandelt werden kann. Dennoch kann das
entsprechende System partieller Differentialgleichungen auf einfache
Weise weder entkoppelt noch se- pariert werden. Zwar existiert eine
Integraltransformation, mit der eine Entkopplung gelingt, doch sind
letztlich die gefundenen Lösungsreihen wegen der schlechten Konvergenz
in der Praxis nicht zu verwen- den. Als Ausgangspunkt der numerischen
Rechnungen dient daher ein Störungs ansatz nach dem Coriolispa- rameter,
was sich als nützlich erweist, weil in der E-Schicht die Coriolisterme
in den Bewegungsglei- chungen höchstens von gleicher Größenordnung wie
die Reibungsterme sind. Die Konvergenz des Verfah- rens verbessert sich
mit wachsender Höhe.