Simeon Schlicht zeigt durch empirische Untersuchungen, dass Kinder den
Mengen- und den Zahlbegriff gleichzeitig und in Abhängigkeit voneinander
erwerben. In seiner Untersuchung mit Kindern im Alter von 3 bis 4 Jahren
verwendet der Autor sog. Spielsituationen, die er nach den Regeln der
Interaktionsanalyse interpretiert. Das Ergebnis steht im Gegensatz zur
gängigen fachwissenschaftlichen Vorstellung, nach der Kinder zunächst
den Mengenbegriff und darauf aufbauend den Zahlbegriff erlernen. Durch
die Anbindung der Zahlen an reale Situationen erhält die Arithmetik für
Kinder eher den Charakter einer Naturwissenschaft als einer
formalistischen mathematischen Theorie. Der Autor kombiniert Ansätze aus
der Kognitionspsychologie, den Bildungswissenschaften und der
Wissenschaftstheorie und schafft somit instruktive Querverbindungen. Die
Untersuchungsergebnisse zeigen Erziehenden und Lehrenden, an welchen
Stellen im Lernprozess der Kinder sie mit Lernproblemen rechnen sollten
und dass etwaige Schwierigkeiten im Erwerb mathematischer Fähigkeiten
auf strukturellen und nicht individuellen Problemen basieren.