Im Zentrum dieser Arbeit steht das Zisterzienserkloster Salem, das 1134
gegrundet wurde und durch seine Nahe zum Bodensee in eine
Kulturlandschaft eingebunden ist. Zu nennen sind die Kloster Reichenau,
St. Gallen, Weissenau, Weingarten, die Konstanzer Dombibliothek und auch
das weiter entfernt gelegene Zwiefalten. Unter dem funften Abt von
Salem, Eberhard I. aus der einflussreichen Familie der Grafen von
Rohrdorf bei Messkirch, erlebte das Zisterzienserkloster eine
wirtschaftliche Prosperitat, die auch dem Skriptorium einen ersten
Hohepunkt beschied. In einer ausfuhrlichen palaographischen Untersuchung
wird die Salemer Schreibschule dieser Zeit rekonstruiert, und in einem
kunsthistorischen Teil werden die verschiedenen Initialstile der
Werkstatt untersucht. Auf diesen Grundlagen basieren die nachfolgenden
Fragestellungen, inwieweit die Ausstattung der Salemer Handschriften mit
den rigiden Statuten des Zisterzienserordens konform ist und den
asthetischen Vorstellungen des bedeutendsten Zisterziensers Bernhard von
Clairvaux entsprechen. Dabei wird das Skriptorium sowohl im Vergleich
mit seinem zisterziensischen Schwesterkloster Kaisheim betrachtet als
auch im Spannungsfeld seiner Eingebundenheit in eine bereits bestehende
Klosterlandschaft - hervorzuheben sei das Kloster Weingarten unter Abt
Berthold und Zwiefalten mit Reinhard von Munderkingen. Im Folgenden wird
die Wissenschaftspflege der Zisterzienser behandelt sowie
zusammengestellt, welche Texte in der Salemer Klosterbibliothek zu
Beginn des XIII. Jahrhunderts abgeschrieben und gesammelt wurden.
Schliesslich erfahrt die eigene literarische Produktion eine besondere
Wurdigung. Aus der Feder eines gewissen Johannes Gallus sind Gedichte
auf Diethelm von Krenkingen, dem Abt von der Reichenau und Bischof von
Konstanz, der in Salem seine letzte Ruhestatte fand, ebenso uberliefert
wie ein Epitaphgedicht auf zwei bislang unbekannte Grafen, die als
Mitglieder der Familie des Eberhard von Rohrdorf identifiziert werden
konnten und als Laien in Salem ebenfalls eine Grabliege erhielten. Einen
besonderen Hohepunkt bilden aber die Verse des Johannes Gallus uber den
Staufer Philipp von Schwaben, der 1208 in Bamberg hinterrucks ermordet
wurde. Diese werden mit anderen zeitgenossischen Gedichten uber den
Konigsmord zu Bamberg verglichen. Ferner wird eine Vision uber ein
Eucharistiewunder - auf Abt Eberhards Veranlassung in Salem
niedergeschrieben - in dieser Arbeit nach der Urfassung ediert. Mit der
Zusammenstellung der Texte, die in Salem gesammelt wurden, und der
Wurdigung der eigenen literarischen Produktion gelang es, das bislang
gultige Bild zu revidieren, dass Eberhard von Rohrdorf ein nuchterner
Zisterzienser gewesen ware, der sich um kulturelle Angelegenheiten wenig
Verdienste erworben hatte. Vielmehr forderte und kultivierte der
Zisterzienserabt die Hagiographie und die Visions- und Mirakelliteratur
sowie die Memoria an Menschen, die mit Salem verbunden waren, in hohem
Masse.