l "Zeit" ist das meistgebrauchte Hauptwort der deutschen Sprache, woraus
man schließen könnte, daß es sich um einen wohlverstandenen Begriff han-
delt. Allein der berühmte Ausspruch Augustinus': "Wenn mich niemand
danach fragt, weiß ich's; will ich's aber einem Fragenden erklären, weiß
ich's nicht", behält auch heute noch seine Gültigkeit. Diese
Problematik, daß wir einerseits die gelebte Zeit als natürlich und
vertraut empfinden und daß andererseits eine genauere Analyse des
Begriffs Zeit oft auf Widersprüche führt, spiegelt sich in den meisten
philosophischen Abhandlungen wider. Das Schrifttum zum Themenkreis
"Zeit" ist derart umfassend, daß wohl kein Werk, welches sich heute mit
diesem Problem befaßt, Vollständigkeit beanspruchen kann.
Dementsprechend ist auch der Anspruch dieses Buches bescheiden: Es wurde
der Versuch unternommen, an Hand einer kleinen Auswahl von Autoren die
Entwicklung des Zeitbegriffs und die damit ver- bundenen
Problemstellungen über einen Zeitraum von mehr als zweitausend Jahren
aufzuzeigen. Von den griechischen Philosophen ausgehend, ver- schiebt
sich mit der Entstehung der Einzelwissenschaften die Thematik von der
Philosophie mehr und mehr zu den Naturwissenschaften. Dabei kommt der
Physik als Grundwissenschaft für alle anderen Naturwissenschaften eine
besondere Rolle zu. Neben Philosophen kommen daher aus den Naturwis-
senschaften hauptsächlich Physiker zu Wort. Bei der Auswahl wurde beson-
ders Bedacht darauf genommen, daß die aufgenommenen Beiträge aufeinan-
der Bezug nehmen bzw. sich ergänzen. Ihre chronologische Anordnung ver-
deutlicht die Abhängigkeit philosophischer Reflexionen und naturwissen-
schaftlicher Analysen des Zeitbegriffs vom jeweiligen Entwicklungsstand
der Wissenschaften.