Das Verständnis der Zugehörigkeit des Bürgers zum Gemeinwesen in Frank-
reich und Deutschland ist seit dem Epoche machenden Buch Citizenship and
Nationhood in France and Germany von Rogers Brubaker ein beliebtes Feld
idealtypischer Unterscheidung. Was bei Brubaker noch sehr facettenreich
formuliert war, ist dabei ein allzu einfacher Gemeinplatz geworden: den
Deutschen wird ein abstammungmäßiges oder sogar "ethnisches" National-
verständnis zugeschrieben, den Franzosen ein "politisches". Auch nachdem
Deutschland 2000 die Einbürgerung qua Geburt (ius soli) eingeführt ha-
weitergehend als Frankreich -und damit die Prognose Brubakers, dies
werde in Deutschland nie möglich sein, ad absurdum geführt haben, wird
diese einfache Gegenüberstellung in Zeitungen und Zeitschriften immer
weiter wiederholt. Heike Hagedorn vertieft unser Verständnis durch einen
in die Tiefe ge- henden Vergleich im vorliegenden Buch in zweierlei
Weise: sie geht einmal der Debatte um Einbürgerung und nationales
Selbstverständnis nach, die im letzten Jahrzehnt in beiden Ländern zu
wesentlichen Änderungen in Gesetzen und Bewußtsein geführt hat. Zum
anderen vergleicht sie die Implementation der Einbürgerung in den beiden
Ländern jenseits der Deklarationen und ideologischen Erklärungen. Sie
kommt dabei -neben vielen Erkenntnissen im Detail -zu drei wesentlichen
Schlußfolgerungen, an denen niemand in Zu- kunft vorbeigehen sollte:
Erstens läuft die Grenze der Auffassungen in der Frage der Einbürgerung
von Einwanderern und insbesondere des Bürgerrechts qua Geburt nicht so
sehr zwischen den beiden Nationen oder zwischen feststehenden nationalen
Kulturen, sondern zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern -so-
wohl in Frankreich wie in Deutschland.