Den Titel "Vorlesungen liber Wahrscheinlichkeitstheorie" habe ich sehr
bewuBt gewahlt. Einerseits will und soll dieses Buch seine Entstehung
aus Kursvorlesungen flir Mathematik-Studenten nicht verleugnen. Der
tiefere Grund liegt jedoch in der Zielsetzung und in der daraus re-
sultierenden Art der Darstellung: Ich machte erreichen, daB der Leser
wichtige Intentionen, grundlegende Ideen und interessante Aussagen der
Wahrscheinlichkeitstheorie versteht - sei es im Selbststudium oder sei
es in Erganzung zu Lehrveranstaltungen. Daraufhin nehmen die Mo-
tivationen der Begriffsbildungen, die Erlauterungen der Aussagen und die
illustrationen durch Beispiele - wie sie ein Dozent liber die reine
Stoffprasentation hinaus seinen Harern in VOrlesungen vermittelt - einen
erheblich breiteren Raum ein als liblich. Hieraus ergibt sich
andererseits, daB es mir nicht urn maglichste Allgemeinheit der Aussagen
oder "tech- nisch" aufwendige Zusatzliberlegungen geht. Trotz dieser
Einschrankun- gen hoffe ich aber, daB Studierende hiermit liber eine
Basis verfligen, urn sich einerseits anspruchsvollere Lehrblicher und
Originalliteratur er- arbeiten zu kannen, urn andererseits einen Zugang
zu spezielleren Teil- gebieten der Wahrscheinlichkeitstheorie (z. B.
Zeitreihenanalyse, Geburts- und Todesprozesse/Warteschlangentheorie,
Erneuerungstheorie, Verzwei- gungsprozesse, Zuverlassigkeitstheorie,
Markoffsche Entscheidungsprozesse, Informationstheorie) zu finden und
urn schlieBlich die Denk- und SchluBweisen der Mathematischen Statistik
verstehen zu kannen. Aufgabe der Wahrscheinlichkeitstheorie ist es,
mathematische Modelle flir zufallsabhangige Vorgange zu entwickeln und
im Rahmen dieser abstrakten Modelle zu Aussagen zu gelangpn, die bei
ihrer Rlicklibersetzung in die Re- alitat GesetzmaBigkeiten sichtbar
werden lassen und so als Grundlagen flir rationale Entscheidungen dienen
kannen. Im ersten Teil dieses Lehrbuchs (§§1-4) wird besonderes Gewicht
auf die Modellbildung gelegt.