Die Vorstellungen vom Mittelalter in der franzosischen Literatur des 18.
Jahrhunderts lassen sich als divers und kontrovers charakterisieren.
Erinnerungen an die Geschichte und Literatur der Epoche sind weder
ausschliesslich von den 'philosophes' vereinnahmt noch einseitig mit
Negativkonnotationen versehen. Auf Basis der Verknupfung von
Gedachtnistheorien und Mittelalterrezeption differenziert die Studie die
Erinnerungskulturlandschaft des vorrevolutionaren Frankreichs nach
Tragern, Gattungen und Inhalten. Es entsteht ein vielschichtiges
Panorama, an dem die Academie des Inscriptions et Belles-Lettres ebenso
teilhat wie die Bibliotheque Universelle des Romans und in das die
Vorstellungen des 'roman gothique' ebenso einwirken wie die der Ritter-
und Pastoralliteratur. So werden populare und gelehrte,
politisch-ideologisierte und eskapistische Diskurse einander
gegenubergestellt, um das etablierte Bild von der eintonigen Leitkultur
der 'Lumieres' anhand vielfaltiger Subkulturen zu korrigieren.