1 Selbstorganisation als wissenschaftliche Revolution Seit Beginn der
1960er Jahre bahnt sich eine wissenschaftliche Revolution an, die
inzwischen unter dem Sammelbegriff Selbstorganisation zu einem
gro13angelegten, nahezu aIle Wissenschaftsdisziplinen umfassenden
Forschungs- programm ausgereift ist. 1m Mittelpunkt dieses neuen
Konzepts steht die Untersuchung der spontanen Entstehung,
Hoherentwicklung und Ausdifferenzie- rung von Ordnung in dynamischen
Systemen fern ab yom Gleichgewicht. Den Ausgangspunkt bildeten konkrete
Forschungsprobleme: Wie entsteht Laserlicht? Wie organisiert sich
lebende Materie? Wie entwickelt sich das Wetter? Wie ko-evolvieren
verschiedene Lebensformen eines Biotops? Die Antworten, die auf diese
und ahnliche Fragen gefunden wurden, gingen freilich iiber das spezielle
Frageinteresse hinaus und begriindeten eine vollig neue Sicht der Natur.
Aus solchen zunachst unscheinbaren Anfangen innerhalb der Naturwis-
senschaften heraus ist es erstaunlich rasch zu einem Paradigmawechsel
gekommen, der moglicherweise eine neue kopernikanische Wende fur die
Wissenschaft insgesamt einleitet, was unser Verstandnis dynamischer
Prozesse in komplexen Systemen anbetrifft. Nach Forschern wie I.
Prigogine und H. Haken, die maJ3geblich an der Begriindung der modernen
Selbstorganisationsforschung beteiligt waren, gehen wir einer neuen
Synthese, einer neuen Naturauffassung entgegen, in deren Zentrum die
Vorstellung einer spontan sich selbst organisierenden Welt steht: die
klassische Wissenschaft, die den Gegensatz zwischen Mensch und Natur
betont habe, verwandele sich dadurch in eine neue Wissenschaft yom
Komple- xen, die den Menschen zu einem Dialog mit der Natur (I.
Prigogine) befahige; Kommunikation trete an die Stelle von
objektivierender Naturbe- herrschung.