Es ist behauptet worden, Gruppentheorie sei kaum mehr als angewandter
gesun- der Menschenverstand. Wenn dem so ist, sollte es möglich sein,
sie so darzustel- len, daß der explizite Gebrauch von formaler
Mathematik und vor allem von Matrizenalgebra vermieden wird.
Matrizenalgebra ist kein schwieriges Thema; viele Studenten werden ihr
vor dem Studium begegnet sein. Daher mag es sinnlos erscheinen, ein
weiteres Buch zu schreiben, nur um die Verwendung von Matri- zenalgebra
zu umgehen. Dennoch ist dies ein solches Buch; der Grund für seine
Existenz liegt tiefer. Nach meiner Erfahrung denken Chemiker lieber in
Model- len und Bildern als in mathematischen Begriffen; sie finden es
leichter, ein Modell mathematisch zu beschreiben, als mit einer
mathematischen Herleitung zu beginnen und daraus ein Bild zu gewinnen.
Zum vollen Verständnis der Gruppentheorie benötigt man sowohl das Bild
als auch die Mathematik; daher werden üblicherweise beide gemeinsam
behandelt. Die Gruppentheorie ist al- lerdings ein systematisch
aufgebautes Gebiet - jede Stufe hängt von den vor- hergehenden Stufen
ab, so daß man sich in einem Lehrbuch ständig auf frühere Seiten
beziehen muß. Da die mathematische Behandlung genauer und umfas- sender
ist als die bildhafte Beschreibung, wird dabei am ehesten auf vorausge-
gangene mathematische Abschnitte verwiesen. Nach meiner Erfahrung wird
das physikalische Bild für die meisten Studenten zunehmend
verschwommener, je mehr die Mathematik die Oberhand gewinnt. Dies ist
der Grund für den Aufbau des vorliegenden Buchs.