Das Bild der Stadt wird in Deutschland noch immer durch die aus dem
späten Mittelalter stammende, Beständigkeit versprechende Ikonographie
von Tür- men, Rathaus, Kirchen und Mauem bestimmt. 1 Die auf diese Weise
ihre Obhutfunktionen architektonisch so eindrucksvoll umsetzende Stadt
ist aber nicht nur Heimstätte der Kontinuität, sondern auch Wiege von
Verände- rungen, ob man dabei an die stadtbürgerliche Herausforderung
der herrscher- 2 lichen Gewalten des Mittelalters, die
Industrialisierung und den Ausbau der Stadttechnik im vergangenen
Jahrhundere oder die gegenwärtig von ihr in die Wege geleiteten, den
Staat in Zugzwang bringenden Verwaltungsrefor- men denkt. Stadt und
Veränderung schließen einander nicht aus; im Gegen- teil, sie gehören
zusammen. Das gilt auch für ihre räumliche Entwicklung. Bis in die Mitte
des 19. Jahrhunderts hinein folgte die Stadt einem kon- trollierten
Wachstum, um dann ihre mittelalterlichen Mauerringe niederzule- gen und
sich im Zuge einer intensiven Bautätigkeit und funktionalen Aus-
differenzierung einen Kranz von Villenvierteln, Arbeitersiedlungen und
Ge- werbegebieten zuzulegen. Es gab aber auch schon damals städtische
Ge- meinwesen, die sich einer solchen quantitativen
Entwicklungsvorstellung entzogen: Sie standen still oder schrumpften
gar. Sind das Wachsen, der Stillstand und der Verfall von Städten vor
allem der Wirkungsmacht der Wirtschaft zuzuschreiben? Manche Anzeichen
sprechen dafür. Doch der von der antiken Polis abgeleitete
Politikbegriff erinnert daran, daß die Gründung und Entwicklung von
Städten auch mit der Politik zu tun hat. So steht neben einem weiteren,
sich vor allem auf die Marktkräfte beziehenden Begriff der
Stadtentwicklung ein enger gefaßter der Stadtentwicklungspolitik.