Wer als Sprachwissenschaftler ein Gespräch mit sprachgestörten Personen
führt. stellt unmittelbar fest, wie irritierend und herausfordernd
dieses Phänomen ist. Das Erzählen ist verändert. die Persönlichkeit des
Sprechers und die Form. in der er erzählt. stimmen nicht überein. das
Erzählen hat aber nach wie vor keine zufällige Form. Die Interaktion ist
konfliktreich. droht zusammenzubrechen. aber sie ist, von extremen
Fällen abgesehen. möglich. Einige der Schwierigkeiten. die auftreten.
Wortfindungsstörungen. lexikalische Fehlwahlen u.ä.. sind einem selbst
nicht unbekannt. Man hat sie schon an sich selbst erlebt und auf
Befindlichkeiten wie Müdigkeit oder Streßzurückgeführt; jetzt stehen sie
aufgrund der als ursächlich angesetzten hirnorganischen Erkrankung in
einem pathologischen Kontext. In dieser unmittelbaren Erfahrung
erscheint vieles verändert. doch entzieht es sich einer eindeutigen
Bestimmung. Kategorien wie "pathologisch" und "nicht- pathologisch"
greifen allenfalls im Hinblick auf die medizinisch diagnosti- zierte
Erkrankung. Aphasiologie und Neurolinguistik definieren die
Sprachstörungen mittels experimentell-quantitativer.
naturwissenschaftlich orientierter Analyseverfah- ren. Auf diese Weise
erreichen sie eine eindeutige Grenzziehung zwischen dem Pathologischen
und dem Nichtpathologischen. Doch umgehen sie die Ebene der
Alltagserfahrung. Das Phänomen "Sprachstörunq" interessiert vor allem
und zuallererst in der Perspektive auf das Sprachsystem. Es geht um die
Bestimmung sprachsystematischer Störungen. Alle weiteren Frage-
stellungen sind nachgeordnete Anschlußfragestellungen.