In diesem Buch werden einige Gebiete der algebraischen Topologie, die
man heute größtenteils zum klassischen Bestand rechnet, mit semi-
simplizialen Methoden in einheitlicher Weise dargestellt. Der Begriff
der semisimplizialen Menge ist dabei von grundlegender Bedeutung. Er
wurde um 1950 von EILENBERG und ZILBER bei der Untersuchung der
singulären Homologietheorie geprägt. Seine Nützlichkeit für die alge-
braische Topologie, und zwar nicht nur für die Homologietheorie, erwies
sich bald darauf durch die Arbeiten von DOLD, KAN, MACLANE, MOORE und
POSTNIKOV. Durch sie wurde das vorliegende Buch angeregt. Die
semisimpliziale Menge steht zwischen der Topologie und der Algebra.
Einerseits ist ihre Struktur so "algebraisch", daß man direkt
Homologie-und Homotopiegruppen für sie definieren und allgemeine
Zusammenhänge zwischen ihnen beweisen kann. Andererseits haben viele
topologische Begriffe, wie z. B. die Faserung oder die Homotopie ein
semisimpliziales Gegenstück. Der Zusammenhang zwischen der Topologie und
der semisimplizialen Theorie beschränkt sich nicht auf diese Analogie:
Es gibt einen Funktor S von der Kategorie der topo- logischen Räume in
die Kategorie der semisimplizialen Mengen, der die topologischen
Begriffe in die entsprechenden semisimplizialen über- führt.
"Semisimpliziale algebraische Topologie" bedeutet am Beispiel der
singulären Homologietheorie: Man ordnet dem Raum X seine semi-
simpliziale Menge SX zu, definiert die Homologie von SX als singuläre
Homologie des Raumes X und folgert die Eigenschaften der singulären
Homologietheorie aus denen der Homologie semisimplizialer Mengen. In
dieser Weise werden die Homotopietheorie, die Homologie-und
Kohomologietheorie semisimplizial entwickelt.