Selbstverteidigung und kollektive Sicherheit repräsentieren gegenläufige
Ordnungsmodelle der internationalen Beziehungen und des Völkerrechts -
eine an den Einzelstaaten orientierte Ordnung steht einer Konzeption
gegenüber, die primär auf staatengemeinschaftlichen Institutionen
basiert. Die daraus notwendigerweise resultierende Spannung ist von Art.
51 UN-Charta nicht eindeutig gelöst worden. Die in dem Buch unternommene
Analyse von Charta und Staatenpraxis zeigt jedoch, daß das gegenwärtige
Völkerrecht dem kollektiven System grundsätzlich Vorrang einräumt. Der
UN-Sicherheitsrat kann das Selbstverteidigungsrecht der Staaten
weitgehend einschränken; dies selbst dann, wenn dadurch Staaten in
existentielle Gefahr geraten können. Dieses Ergebnis spiegelt die stark
fortgeschrittene Konstitutionalisierung des Völkerrechts wider, es legt
aber auch eine Revision der Grundlagen des Völkerrechts nahe.