Seit Jahrhunderten war in vielen Teilen der Habsburgermonarchie die
konfessionelle Zugehorigkeit ein entscheidender Faktor fur die
Entstehung ethnischen Bewusstseins. Zwar verlor die Konfession als
Identifikationsfaktor um die Jahrhundertwende an Anziehungskraft
gegenuber sprachlich-nationalen Bindungen, dennoch blieb sie bis zum
Ende der Donaumonarchie eine wichtige Grundlage nationaler Bewegungen,
wobei der Nationsbegriff zunehmend mit sakralen Werten verbunden wurde.
Die Studie liegt im Trend des zunehmenden Interesses an Religion als
gesellschaftlicher Ordnungskategorie in multiethnischen Regionen und
Staaten, weil sich die Nation als ultimativ konstitutive Ordnungskraft
als untauglich erwiesen hat. Dennoch fehlte bisher die Betrachtung des
Phanomens des Nationalismus aus der Perspektive der obersten Autoritat
der katholischen Kirche. Die vorliegende Untersuchung umfasst die beiden
Pontifikate Leos XIII. (1878-1903) und Pius' X. (1903-1914) und somit
den Zeitraum, in dem die Problematik politisch in allen Teilen der
Donaumonarchie eskalierte, damit die katholische Kirche in den Sog
nationalistischer Propaganda zog und kirchenpolitisches Handeln zwingend
notig machte. Den zahlreichen Streitigkeiten auf lokaler Ebene - im
slowenischen Bereich, in Dalmatien, in Bohmen und Mahren sowie in den
griechisch-katholischen Gebieten Galiziens, Ungarns und Siebenburgens -
stehen die grossen konfessionspolitischen Diskussionen gegenuber und das
Bemuhen der romischen Kurie um allgemein gultige Aussagen und
Leitlinien. Doch erst in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts wurden
in der umstrittenen Frage der liturgischen Verwendung der Volkssprachen
neue Wege beschritten, wodurch endlich ein Jahrhundert lang schwelender
Konflikte entscharft werden konnte