Kann die Biomathematik dem Kliniker und dem forschenden Mediziner
Einsichten vermitteln, die liber eine statisti- sche Auswertung
hinausgehen? In der Tat ist es moglich, Funktionsablaufe im Korper mit
Hilfe mathematischer Formeln nachzuvollziehen. Das Produkt, ein
mathematisches Modell, kann dann statt des Originals untersucht werden.
Mit ihm kann man experimen- tieren und aus seinen "Reaktionen" kann man
Rlickschllisse auf die zugrundeliegenden Mechanismen ziehen. Insofern
hat es Ahnlichkeit mit einem Tiermodell, welches man ebenfalls statt des
"Originals" Mensch untersucht, weil man mit ihm experimentieren und an
ihm ausgedehnte Mes- sungen vornehmen kann. Yom mathematischen Modell,
wie vom Tiermodell, lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse mehr oder
weniger gut auf die Vorgange im menschlichen Korper libertragen. Diese
Ubertragung gelingt um so bes- ser, je "ahnlicher" das Versuchstier dem
Menschen ist bzw. je adaquater das mathematische Modell die wahren
Vorgange beschreibt. Aus der letztgenannten Voraussetzung ergibt sich,
daB mathematische Modelle nur sinnvoll flir solche Bereiche der Medizin
konstruiert werden konnen, in denen der Kenntnisstand liber Physiologie
und Pathophysiologie der Ablaufe fortgeschritten ist. Dies ist bei der
Regulation der Blutbildung der Fall, und so ist es nicht verwunder-
lich, daB in diesem Bereich schon frlih an mathematischen Modellen
gearbeitet wurde. Es kommt eine zweite Voraussetzung flir ein
brauchbares mathematisches Modell hinzu, und das ist die richtige
Umsetzung des biologischen Wissens in die Sprache der Mathematik.