Es ist philosophische Aufgabe gewesen, eine Weltanschaung zu- gleich als
wissenschaftliche Erkenntnis und als Lebenslehre zu ent- wickeln. Die
rationale Einsicht sollte der Halt sein. Statt dessen wird in diesem
Buch der Versuch gemacht, nur zu verstehen, welche letzten Positionen
die Seele einnimmt, welche Kräfte sie bewegen. Die faktische
Weltanschauung dagegen bleibt Sache des Lebens. Statt einer Mitteilung
dessen, worauf es im Leben ankomme, sollen nur Klärungen und
Möglichkeiten als Mittel zur Selbstbesinnung gegeben werden. Wer direkte
Antwort auf die Frage will, wie er leben solle, sucht sie in diesem
Buche vergebens. Das Wesentliche, das in den konkreten Entscheidungen
persönlichen Schicksals liegt, bleibt ver- schlossen. Das Buch hat nur
Sinn für Menschen, die beginnen, sich zu verwundern, auf sich selbst zu
reflektieren, Fragwürdigkeiten des Daseins zu sehen, und auch nur Sinn
für solche, die das Leben als persönliche, irrationale, durch nichts
aufhebbare Verantwortung er- fahren. Es appelliert an die freie
Geistigkeit und Aktivität des Lebens durch Darbietung von
Orientierungsmitteln, aber es versucht nicht, Leben zu schaffen und zu
lehren. Heidelberg. Kar! Jaspers. VORWORT ZUR VIERTEN AUFLAGE. Dies Buch
meiner Jugend aus der Zeit, als ich von der Psychiatrie her zum
Philosophieren kam, aus der Zeit des ersten Weltkriegs und der Er-
schütterung unserer überlieferung, ist das Ergebnis der Selbstbesinnung
jener Tage. Es erscheint jetzt, nachdem es fast zwei Jahrzehnte
vergriffen war, unverändert in neuer Auflage.