Die Frage nach der Tauglichkeit dessen, was in der Politischen
Wissenschaft und in der politischen Praxis Nation genannt wird, bildete
den Ausgangspunkt für diese Arbeit. Als Deutscher kommt man weder an
einer bestimmten Vergangenheit vorbei, die eine moralische Hypothek
hinterlassen hat, noch an einer Gegenwart, die durch das Stich- wort
Teilung gekennzeichnet ist. Nimmt man (als "Betroffener" sozusagen) sich
der vorbelasteten Sache Nation - weder apologetisch, noch affirmativ,
noch anklagend, sondern analytisch - an, so verwundert, daß die
Fragwürdigkeit der Nation in einem theoretischen Rahmen auch in
Deutschland kaum zur Sprache gebracht wird. So gibt es ein
Forschungsdesiderat bezüglich einer Theorie der Nation, obwohl es eine
Biblio- theken füllende literatur zu "Nationalem" und "Deutschem" gibt,
die in den letzten Jahren nochmals sehr erweitert wurde. Die oberi
angegenbene Frage ist als Aufgabe aufgenommen worden zu untersuchen, ob
angesichts der trans-, supra-, inter- und multinationalen
Herausforderungen der Na- tion als politischer Kategorie noch ein realer
Sachverhalt entspricht. Würde mit der gesamten Untersuchung eine
Rehabilitierung dieser keineswegs unproblematischen Kategorie erreicht,
so wäre eine nüchterne, weitere Diskussion der nationalen Frage in
Deutschland, vielleicht auch in hier angedeuteten Ausmaßen, wün-
schenswert. Einen Erkenntniszuwachs gerade für die deutsche Frage zu
erreichen, ist mit der Untersuchung angestrebt. Um den
Wirklichkeitsaspekt Nation zu erfassen, werden Defmitionen riskiert, li-
nien über das eigene Fach hinaus gezogen und Thesen formuliert, die
deutlich (und diskutabel) markieren sollen, wie das Untersuchungsfeld
vermessen, das Problem "en- cadriert" wird.