Gibt es eine spanische Renaissance so wie es eine italienische gegeben
hat, und welche Rolle spielt der Aristotelismus in Spanien? Noch. E. R.
Curtius beschäftigte diese Frage sehr. Eine endgültige Antwort hat er
darauf leider 1 nicht mehr geben können - Die Zusammenstellung der
europäischen Poetiken 2 von Saintsbury und Spingarn bewies
offensichtlich die Unwirksamkeit des Aristotelismus in der spanischen
Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts, dem Goldenen Zeitalter. Weit
mehr, die Antithese von Aristotelischer Theorie und literarischer Praxis
schien nirgendwo größer zu sein als in dem vielfach so mißverstandenen
Lande. Die Wirksamkeit der Theorie auf die spanische Literatur wird
bestritten. Spanische Literatur, zumal die Literatur der Edad de Oro,
ist aus dem nationalen Erbe geboren, ist naturhafte Literatur, ist «
canto llano ». Dennoch läßt Literatur und ihre Entwicklung sich nicht
völlig von der literarkritischen Atmosphäre ihrer Zeit trennen. Wer
könnte schon die Richtigkeit und Bedeutung der Gedanken Menendez y
Pelayos be- streiten, wenn dieser sagt: "Hinter jedem literarischen
Ereignis steht eine ästhetische Idee, mitunter eine Theorie oder eine
vollständige Doktrin, über die sich der Künstler Rechenschaft gibt oder
nicht, die aber auf jeden Fall 3 seine Eingebungen auf wirksame und
realistische Weise lenkt . . . " 1 Einen neuen Weg zur Erforschung der
Kunsttheorie in Spanien wies E. R. Curtius in seinem Artikel:
Theologische Kunsttheorie im spanischen Baroc: k (Roman. Fol"Sch., Bd.
53, 1939, S. 146-148; vgl. auch Exkurs XXII in Europ. Lit. und Lat. MA.