Während das elastische Werkstoffverhalten seit rund dreihundert Jahren
Gegenstand wissenschaftlich-technischer Untersuchungen ist, beschäftigt
man sich mit bleibenden, also plastischen Formänderungen fester Körper
erst seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Die Wiege der
Plastomechanik stand in Frankreich (TRESCA, DE ST. VENANT, L: EVY), doch
auch in Deutschland wurde man auf das neue Gebiet früh aufmerksam (FINK,
BAUSCHINGER). Besonders in den ersten dreißig Jahren dieses Jahrhunderts
trugen in Deutschland arbeitende Forscher und Ingenieure viel zur
Plastomechanik bei (v. MlsEs, HENCKY, PRANDTL, REuss, N. A. nAI, SIEBEL,
v. KARMAN, SACHs, LuEG, FRAGER, GEIRINGER, LoDE). Vor allem zwei große
Anwendungsgebiete schälten sich heraus: die Baumechanik, die das
plastische Verhalten von Trag- werken i. a. deshalb theoretisch
ermittelt, um es in der Praxis vermeiden zu können, und die
Umformtechnik (Pressen, Schmieden, Walzen, Ziehen usw. ), bei welcher
die Umformkräfte, -Ieistungen und -arbeiten zur Aus- legung der
Umformmaschinen interessieren, aber auch der Werkstoff- fluß, auf Grund
dessen man Festigkeit, Homogenität und Eigenspan- nungszustand des
fertigen Werkstückes abschätzt. Der Plastomechanik in ihren Anwendungen
auf die Umformtechnik ist das vorliegende Lehr- buch gewidmet, dessen
erster Band nunmehr erscheint. Es stellt bewußt die Theorie in den
Vordergrund. Theorie: das ist eine fundierte Modellvorstellung vom Wesen
des jeweiligen Prozesses und ihre mathematische Formulierung, jedoch
eben nicht diese allein. Deshalb wird auch viel Platz für die Begründung
der benutzten Modelle und das Abschätzen ihrer Gültigkeit geopfert. Der
Leser lernt somit, zu verstehen und nicht nur zu rechnen.