Die politische Soziologie und die politische Wissenschaft beschäftigen
sich in zunehmen- dem Maße mit Erscheinungen des politischen und
sozialen Wandels von Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen. Den
Tendenzen zur Veränderung und Umstrukturierung von Teilsystemen stehen
jedoch häufig Beharrungstendenzen anderer gesellschaftlicher
Teilbereiche gegenüber. Sozialer Wandel schließt deshalb latente und
manifeste Kon- flikte ebenso ein wie sich in industriellen
Gesellschaftsordnungen immer wieder neu bildende
Differenzierungsprozesse. Der geistige, politische und soziale Wandel
ist nicht auf Gesellschaftssysteme des Westens und auf die
Entwicklungsländer beschränkt. Er kann heute als weltweite Erscheinung
angesehen werden. Die Dynamik der Veränderung tradierter Strukturen ist
auch in der Sowjetunion, in den osteuropäischen Gesellschaften und in
der DDR zu beobachten. Sie wird durch das Postulat der
Funktionstüchtigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft, das heute wohl die
überwiegende Zahl der kommunistischen Parteiführer im Ostblock vertritt,
womöglich noch gesteigert. Die vorliegende Studie versucht, die sich
wandelnde Welt des Ostblocks in einem politisch-sozialen System, der
DDR- Gesellschaft, zu erfassen. In der DDR sind heute die Kräfte der
Dynamik denen der Beharrung und der Statik vielleicht in besonders
starkem Maß konfrontiert. Deshalb ist diese Gesellschaft in ihrer
Vielschichtigkeit ebenso widersprüchlich wie für den Analytiker
reizvoll. Im vorliegenden Zusammenhang stellt sich vor allem die Frage,
wie die aus dieser Konfrontation resultierenden Konflikte gelöst werden,
welche orga- nisationspolitischen Konsequenzen in einem System gezogen
werden, das dem Zwang, funktionieren zu müssen, in besonderem Maße
ausgesetzt ist.