Das abgelaufene Jahr hiea offiziell das Jahr des Kindes. Wohl nicht
zufallig riickten in diesem J ahr besonders die Probleme des Kin- des in
den Vordergrund des Offentlichen Interesses. Erfreuliches wurde selten
berichtet. Ein Thema riickte besonders in den Blick- punkt von Padagogen
und Eltern: Angst, Schulangst der Kinder. Es hat den Anschein, als ob
der oft angedrohte Ernst des Lebens unsere Kinder schon langst erfaat
hat, noch bevor sie iiberhaupt eine Chance hatten, kindlich, naiv,
hoffnungsfroh, vertrauensvoll und unbekiimmert zu sein. Blickt man auf
die Partner der Kinder, dann scheinen ihre Eltern ihre eigenen Sorgen
urn eine ungewis- se Zukunft dadurch zu erleichtern suchen, daa sie in
bester Absicht ihre Kinder friihzeitig und fiir alle Fli. lle griindlich
ausbilden und ausbilden lassen. Mit sanftem Druck, unschlagbaren
Argumenten, warnenden Beispielen oder einfach durch Verhindern oder Ver-
schweigen anderer Moglichkeiten werden Kinder angehalten, im Spiel Dinge
zu tun, die "sinnvoll" sind, sich in der Schule mit denen zu messen, die
"besser" sind, auf der Straae Freunde zu haben, die "verniinftig" sind.
Nach den Bediirfnissen des Kindes wird dabei nicht gefragt. Betrachtet
man die Form der Anleitung unserer Kinder, so ist nicht zu verkennen,
daa sich harte Erziehungsmaanahmen iiber- holt haben und statt dessen
appellative Formen der Erziehung bevorzugt werden: das Kind wird als
Partner angesprochen, der bei nur geringer Anstrengung seines Verstandes
einsehen mua, daa das, was er tun solI, auch das richtige ist, was er im
Grunde ja auch tun will.