Walther Heissig (1913-2005) und Nikolaus Poppe (1897-1991) waren die
bedeutendsten Mongolisten ihrer Zeit. Heissig stammte aus Wien; er
etablierte in Deutschland die Mongolistik als selbstandige universitare
Disziplin und schuf in Bonn mit dem Zentralasiatischen Seminar ein
westeuropaisches Zentrum; Poppe entstammte einer deutschrussischen
Familie in St. Petersburg, war Professor an der dortigen Universitat und
Mitglied der Akademie. Wahrend des Zweiten Weltkriegs gelang es ihm,
nach Deutschland zu kommen; nach dem Kriege lehrte er Mongolistik an der
University of Washington, Seattle. Uber dreissig Jahre waren die beiden
Gelehrten in engem Briefwechsel, in dem sich die eigene Lehr- und
Forschungsarbeit, aber auch die Situation der internationalen
Entwicklung der Mongolistik spiegelt, die damals besonders an der durch
den Eisernen Vorhang bedingten Einschrankung von wissenschaftlichen
Kontakten und Kooperation litt. Die Korrespondenz zeigt, wie sich
Heissig und Poppe in ihren Interessen und Arbeiten erganzten - Heissigs
Kompetenz war mehr ethnologisch, bibliographisch und literarisch: Er
erfasste systematisch mongolische Texte und bearbeitete sie; er
verfasste eine umfassende mongolische Literaturgeschichte, widmete sich
der mongolischen Epik und Motivforschung und entwickelte eine
unermudliche Publikationstatigkeit. Als hervorragender Organisator
grundete er einen Sonderforschungsbereich Zentralasien und rief ein
zentralasiatisches Epensymposium ins Leben. Demgegenuber war Poppes
Kompetenz eher sprachlich, linguistisch, neben literarischen,
historischen und volkskundlichen Interessen. Er publizierte vieles durch
Heissigs Vermittlung und war der Hauptmitarbeiter des Epenprojekts, fur
das er zahlreiche Epen ins Deutsche ubertrug. So ist dieser Briefwechsel
ein wichtiges Dokument der Wissenschaftsgeschichte, das die beiden
Personlichkeiten als Wissenschaftler aber auch als Menschen portratiert.