Nah-Todeserfahrungen zeigen sich auf den ersten Blick als ambivalente
Erscheinung: Einerseits geht von ihnen eine gewisse Faszination aus,
eine Hoffnung, Einblick in jenseitige Welten zu erhalten. Andererseits
legen die verschiedenen Schilderungen eine Widersprüchlichkeit an den
Tag, die zusammen mit der offensichtlichen persönlichen Prägung dafür
sprechen, dass es sich bei diesen Erlebnissen allenfalls um eine
eindrucksvolle Halluzination handelt. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass
NTE-artige Erfahrungen schon immer ein Begleiter des Menschen waren; ihr
Einfluss auf religiöse Vorstellungen und Jenseitskonzeptionen wird in
vielen Kulturen offenbar. Im Zuge der aufkommenden Naturwissenschaften
und ihrem Erklärungsanspruch wurden jene Erlebnisse schließlich
zurückgedrängt. Ihre Phänomenologie war nur schwer mit den neuen
Rationalitätsstandards in Einklang zu bringen. Allenfalls im Rahmen
religiöser Mystik oder im Volksglauben konnten sie noch auf Anerkennung
hoffen. Die Situation änderte sich trotz und gerade wegen der
naturwissenschaftlichen Entwicklungen: Klinisch tote und später
reanimierte Personen berichteten über Erlebnisse zum Zeitpunkt ihrerer
kritischen Lage. Nachdem einige von ihnen ein Sprachrohr gefunden hatten
und die Berichte publik geworden waren, überwanden auch andere ihre
Hemmungen: Mehr und mehr Experiencer berichteten von ihrer eigenen
Erfahrung. Seit diesem Durchbruch sind gut zwei Jahrzehnte vergangen;
eine Vielzahl von Arbeiten zu NTEs sind bislang erschienen. Auf dieser
Grundlage ist es mittlerweile möglich, einen ungefähren Überblick über
die Natur der Nah-Todeserfahrungen und ihre religiöse Dimension zu
gewinnen. Ziel dieser Arbeit ist, diese weitgehend unbekannte Beziehung
darzustellen.