Die Gesamtproblematik der Entwicklungsländer ist im wissenschaftlichen
Schrift- tum immer wieder herausgestellt, ihre Bedeutung im weltweiten
Maßstab besonders hervorgehoben worden, doch hat es sich bei der Analyse
der Entwicklungshilfe ge- zeigt, daß die Leistungen und die
Zielsetzungen der nationalen Hilfeleistungs- programme der
Industrieländer dabei allzusehr im Brennpunkt des politischen und
wissenschaftlichen Interesses standen. Dadurch ist der wichtige und
weite Bereich der multilateralen Hilfe durch die Hilfe-
leistungsprogramme der über- und internationalen Organisationen, die
überwiegend von den Industrieländern, daneben aber auch von den
Entwicklungsländern selbst finanziert werden, weit aus dem Blickfeld
geraten. Die dadurch entstandene Lücke soll durch die nachfolgende
Untersuchung wenigstens teilweise geschlossen werden. Ober ihre
Ergebnisse läßt sich folgendes feststellen: 1. Der Charakter der
Zusammenarbeit zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern
ist heute in hohem Maße durch ein ökonomisches Entwick- lungsgefälle,
das ständig steiler wird, gekennzeichnet. Dieser Sachverhalt und der
zunehmende Entkolonialisierungsprozeß seit Ende des letzten Krieges
haben zu einem bemerkenswerten gegenseitigen ökonomischen und
politischen Abhängigkeits- verhältnis geführt: Während die
Entwicklungsländer zur Bewältigung ihrer ökono- mischen Schwierigkeiten
weitgehend auf umfassende Hilfeleistung seitens der hoch- entwickelten
Länder angewiesen sind, können diese viele ihrer politischen Ziele heute
nur noch mit Unterstützung der wirtschaftlich schwachen Länder Asiens,
Afrikas und Lateinamerikas, die in den Vereinten Nationen über eine
erhebliche Stimmenmehrheit verfügen, durchsetzen. Dies gilt
gleichermaßen für die westlichen und für die kommunistischen Länder.
Dadurch hat sich das Verhältnis zwischen Industrie- und
Entwicklungsländern weitgehend bilateral entwickelt; so wurde
zwangsläufig auch die Entwicklungshilfe zu einem politischen Faktor.