Es gibt zwei Welten der Kryptographie. Der einen Welt scheint, von auBen
betrachtet, ein Hauch von Abenteuer und Romantik anzuhaften. Man denkt
an Sherlock Holmes und James Bond, sieht Massen von Men- schen mit
Codebiichem operieren und lange Buchstabenkolonnen statistisch untersu-
chen; es ist die Welt der ENIGMA und anderer Chiffriermaschinen, bei
deren Anblick das Herz jedes Antiquitatensammlers hoher schlagt. Dies
ist die Welt der "klassischen" Kryptographie. Demgegeniiber ist die
andere Welt, die der modemen Kryptographie, bestimmt durch Stichworte
wie Datenautobahn, elektronisches Geld, digitale Signatur oder
Chipkarte. Die Menschen, die man hier trifft, sind Medienexperten,
Banker, Mathematiker und In- formatiker. Dieses Buch handelt von der
modemen Kryptographie. Die Unterscheidung in zwei Welten ist nicht nur
auBerlich, sondem auch entscheidend durch die innere Entwicklung der
Kryptologie gepragt. FUr die modeme Kryptographie sind die Jahreszahlen
1976 und 1985 wichtig. 1m Jahre 1976 verOffentlichten Whitfield Diffie
und Martin Hellman das Prinzip der Public-Key-Kryptographie. Mit ihrer
bahnbrechenden Arbeit (und dem zwei Jahre spa- ter verOffentlichten
RSA-Algorithmus) wurde ein jahrtausendealtes "unlosbares" Pro- blem
denkbar elegant gelost: W1ihrend in der Welt der alten Kryptologie je
zwei Teil- nehmer, die geheim miteinander kommunizieren wollten, schon
vorher ein gemeinsa- mes Geheimnis haben muBten (ihren "geheimen
Schliissel"), ist dies in der Public-Key- Kryptographie nicht mehr der
Fall: Jeder, auch jemand, der mit mir noch nie Kontakt hatte, kann mir
eine verschliisselte Nachricht schicken, die nur ich entschliisseln
kann.