Seit frühester Zeit setzt sich der Mensch in zweifacher Hinsicht mit dem
Wasser auseinander. Einerseits benötigt er es zum Leben (Haus-
wirtschaft, Landwirtschaft), aber auf der anderen Seite muß er sich
gegen Hochwasser schützen. So gehören Einrichtungen zur Nutzung des
Wassers und Bauten zum Schutz gegen das Wasser zu den ältesten
technologischen Errungenschaften des Menschen. Ausgedehnte Hoch-
wasserschutzmaßnahmen und Bewässerungssysteme waren die Grund- lagen der
ersten geschichtlichen Hochkulturen in den Tälern des Nils, des
EuphratfTigris, des Indus und des Hoang-Hos. Die großen Städte des
Altertums verfügten über eine hervorragende Wasserversorgung, meist
verbunden mit bemerkenswerten Abwassersystemen. Wie in den ersten
Anfängen der Geschichte des seßhaften Menschen, so ist auch heute die
wasserwirtschaftliehe Infrastruktur eine der wesentlichsten Grundlagen
der Zivilisation. Hochwasserschutz und Hochwasserentla- stung sind nach
wie vor höchst aktuelle Themen. Im 20. Jahrhundert bereiten Planung,
Bemessung, Bau und Betrieb derartiger Anlagen keine grundlegenden
Schwierigkeiten, steht uns doch ein reiches mathematisches,
hydromechanisches, statisches und bodenmechanisches Wissen zur
Verfügung. Als jedoch im Altertum mit dem Bau großer
wasserwirtschaftlicher Systeme technisches Neuland betreten wurde,
fehlten selbst die einfachsten Kenntnisse in diesen Wissenschaften.
Basis des empirisch-pragmatischen Bauens waren damals das Vermögen, sich
in physikalisch-hydraulische Vorgänge ein- fühlen zu können, die über
Generationen gesammelten Erfahrungen aus 6 Vorwort vorangegangenen
Erfolgen und Fehlschlägen sowie ein hochstehendes handwerkliches Können.
Nur mit diesen Mitteln wurden Anlagen ge- plant, gebaut und betrieben,
die zu den hervorragenden Leistungen der frühen Technik zählen und von
denen einige als Meilensteine der Tech- nikgeschichte einzustufen sind.