Dieses Buch verfolgt verschiedene, eng miteinander verbundene Ziele. In
erster Linie mochte es Schiilern, Lehrern und Studierenden der
Mathematik dienlich sein als Einfiihrnngin einen wichtigen, aher meist
vernachlassigten Aspekt der Mathematik. Doch ist das Buch in gewissem
Sinn auch eine philosophische Abhandlung. Ebenso ist es eine Fortsetzung
friiherer Arbeiten und verlangt selbst eine Fortsetzung. Ich werde auf
diese Punkte der Reihe nach zu sprechen kommen. 1. Streng genommen
besteht unser ganzes Wissen auIlerhalb der Mathematik und der
demonstrativen Logik (die ja in der Tat ein Zweig der Mathematik ist)
aus Vermutungen. Es gibt natiirlich Ver- mutungen und Vermutungen. Es
gibt hOchst respektable und zu- verlassige Vermutungen wie die in
gewissen allgemeinen Gesetzen der Naturwissenschaften niedergelegten. Es
giht andere Vermutungen, die weder respektabel noch zuverlassig sind,
und die einen zuweilen argern konnen, wenn man sie in der Zeitung Hest.
Und zwischen diesen beiden Extremen stehen alle moglichen Arten und
Schattierungen von Ver- muten, instinktivem Vorausfiihlen und Erraten.
Wir sichern die Giiltigkeit unseres mathematischen Wissens durch
demonstratives SchliefJen, aber wir stiitzen unsere Vermutungen durch
plausibles SchliefJen. Ein mathematischer Beweis besteht aus demon-
strativem SchlieIlen, aber der Induktionsbeweis des Physikers, der
Indizienbeweis des Juristen, der dokumentarische Beweis des Ristori-
kers, der statistische Beweis des Nationalokonomen gehoren zum
plausiblen SchlieIlen. Der Unterschied zwischen den heiden SchluIlweisen
ist groIl und mannigfaltig. Demonstratives SchlieBen ist sicher,
unbestreitbar und endgiiltig. Plausibles Schlie!3en ist gewagt, strittig
und provisorisch.