Das Verhältnis der Politik zur Kunst und speziell zur Dichtung ist immer
schwierig gewesen. Das zeigt etwa die Beziehung der römischen Kaiser zu
den Dichtern. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. war in seiner
Nüchternheit eher indigniert, als Novalis in des Königs Ehe die
Einigkeit im Staat vorgebildet sehen wollte. Konnten "Poeten" die
Herrschenden hin- weisen auf die wirkenden Mächte oder waren sie nicht
umgekehrt deren Weisungen unterworfen? In unserem, dem zwanzigsten
Jahrhundert prägte sich unauslöschlich ein, wie totalitäre Staaten Kunst
und Poesie zu gängeln und zu manipulieren suchten. Die Revolution in
Rußland war zuerst begleitet durch eine neue Dichtung und Kunst; doch
deren Freiheit wurde bald brutal unterdrückt. Mit dem
Nationalsozialismus verband sich die Vertreibung der führenden Dichter
und Künstler und schließlich gar ein neuer Bildersturm. Die einstige DDR
hatte einen Arbeitersohn wie Reiner Kunze direkt zum Dichter
ausgebildet; er hat in der Tat in seinen Anfängen seinem Staat in
erschreckenden Versen gehuldigt. Die Lyrik verlangt aber ein spontanes
Sprechen; als dieses sich meldete, blieb dem Staat nur die Möglichkeit,
seinen Dichter aus dem Lande hinauszuwerfen. Das war dann wieder die
alte Geschichte. Wenn die Demokratien die Teilung der Gewalten ausbauen,
können sie auch Politik und Kunst trennen, also den Künsten ihren
eigenen Spielraum lassen.