Marie Anna Luise Schlosser, genannt Lulu, kam am 25. Ok tober 1774 im
oberbadischen Stadtchen Emmendingen zur Welt. Ihre Eltern Cornelia
(1750-1777), geborene Goethe, und Johann Georg Schlosser (1739-1799)
hatten am 1. No vember 1773 in Frankfurt geheiratet und waren nach einem
kurzen Aufenthalt in Karlsruhe 1774 nach Emmendingen ge zogen. Als Sitz
des Oberamts der "Markgrafschaft Hoch berg" war das Stadtchen eine Art
Zweigresidenz des in Karlsruhe regierenden Markgrafen Karl Friedrich von
Baden gleichzusetzen. Im November 1774 erhielt Schlosser die Be rufung
zum Oberamtmann; er stand nun an der Spitze der Markgrafschaft und war
dem Karlsruher Hof unmittelbar verantwortlich. Schlossers vielseitige
Bildung und sein spate rer Ruf als namhaftester und wohl auch
tatkraftigster Repra sentant der Karlsruher Regierung im "Hochberger
Land," das damals etwa 20000 Burger zahlte, liessen ihn histori schen,
doch umstrittenen Ruhm ernten. Er hatte sich nach vielerlei
Empfehlungen - wohl auch Goethes - bemuht, in Karlsruhe, das als
"aufgeklart fort schrittliche" Residenz galt, auf befristete Zeit
Zutritt zu den badischen Regierungs- und Justizkollegien zu erlangen.
Als Dichter und Ubersetzer, als Volkswirtschaftler, als Verfasser des
viel gepriesenen "Katechismus der Sittenlehre fur das als grundlicher
Kenner der alten und der neueren Landvolk," Sprachen galt er der
gebildeten Welt des spaten 18. Jahrhun derts als eine "exquisit
uberragende" Personlichkeit. Mark graf Karl Friedrichs betonte
Zustimmung zum Schlosser schen "Katechismus" hatte offenbar den
Ausschlag fur eine feste Anstellung gegeben."