Terroristisches Verhalten ist statistisch gesehen unwahrscheinliches
Verhalten. Da- mit tritt es aber zugleich aus dem Verständnishorizont
heraus, aus dem die meisten Beobachter ihr eigenes Verhalten und das
anderer Menschen interpretieren. So wir- ken die terroristischen
Aktionen als doppeltes Ärgernis. Die Effekte sind dramatisch, und die
Motive bleiben unverständlich. Ein Verhalten jenseits unserer
Interpreta- tionsmöglichkeiten bezeichnen wir gern als verrückt, als
pathologisch, damit sind in- dessen keine Diagnosen, sondern nur
Verständnisgrenzen gekennzeichnet. Gerade extremes, unwahrscheinliches,
einem breiten Verständniskonsens entrücktes Han- deln muß
außerordentlich prägnanten Ordnungsprinzipien unterliegen, wenn es sich
überhaupt ereignen soll. Das von außen unverständlich Wirkende ist im
Bewußtsein des Akteurs nicht nur überzeugendes, sondern auch
folgerichtiges Handeln, zu dem es für ihn keine sinnvolle Alternative
gibt. Terroristisches Handeln ist nur möglich, wenn wir in ihm alles
vorfinden, was zu einer funktionierenden sozialen Organisation gehört:
Ziele, ein geistiges Konzept, das sowohl die Selbst- als auch die
Umweltdefinition enthält, Interaktionspartner, Mittel,
Erfolgserwartungen und für den einzelnen eine akzeptable Rolle. Bis es
zu ei- ner solchen Organisation kommt, braucht es Zeit. Terrorist wird
niemand über Nacht. Die Voraussetzung jeder Alternativkultur, also auch
der politischen Alterna- tivkultur des Terrorismus, ist die
Problematisierung, die Lockerung und schließlich die negative Besetzung
bisheriger Bindungen. Jede neue Organisation setzt also
Ablösungsprozesse voraus. Diese Ablösungsprozesse sind zunächst nicht
freiwillig, weder gesucht noch gezielt.