"Maimonides wird von Deutschen kaum noch gelesen", behauptet Friedrich
Niewohner in seinem vielbeachteten Wolfenbiitteler Maimonides-Vortrag
(1988). In der Tat weisen die Zeugnisse der Sekundarliteratur wie auch
die erstaunlichen Bemiihungen urn eine immer noch ausstehende kritische
Gesamtedition eher in den angloamerikanischen Raum. Jedenfalls war das
Interesse der Offentlichkeit an Maimonides urn die Mitte des 19.
Jahrhunderts weitaus lebhafter, als dies heute der Fall ist. "Die
neueste Zeit" - schreibt Moritz Steinschneider in Virchows Archiv
(1859) - "hat sich viel mit Maimonides beschaftigt." Lediglich der
"medizinische Schriftsteller Maimonides" sei dabei schlecht weggekommen
und oft genug auch falsch interpretiert worden. In den Hand- und
Lehrbiichern der Geschichte der Medizin spielt Maimonides denn auch kaum
eine Rolle, wird jedenfalls nicht nach Aussagen von Quellen erster Hand
herangezogen. Ais "bedeutendster jiidischer Arzt des muslimischen
Kulturkreises in der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts" wird
Maimonides lediglich von Karl Sudhoff in "Kurzes Handbuch der Geschichte
der Medizin" (Berlin 1922) erwahnt. Der Hohepunkt seines Wirkens liege
allerdings nicht auf den Gebieten der Medizin, sondern "auf der
theologisch-philosophischen Seite" (S. 149). Zwar zeige er sich auf der
Hohe der zeitgenossischen arabischen Medizin, habe sich auch mit Galen
kritisch auseinandergesetzt, biete aber in seiner Heilkunde keine
"eigene Zutat". In der "Geschichte der Medizin im Oberblick" (Jena 1922)
von Theodor Meyer-Steinegg und Karl Sudhoff erscheint Maimonides nur
noch als Promotor der Diatetik. EinfluB genommen habe er vor aHem "auf
die jiidischen Denker, indem er den Aristoteles neben die Propheten
stellte" (S. 159).