Nach dem 2018 erschienenen Band uber die Konstanzer Marktstatte
(Forschungen und Berichte zur Archaologie in Baden-Wurttemberg Bd. 5)
hat die Aufarbeitung einer zweiten grossen Konstanzer Grabung ihren
Abschluss gefunden. Im Hinterhofbereich der wichtigsten
Nord-Sud-Verbindung in der Stadt, der Hussenstrasse, wurden 1986-1987
grossflachige Untersuchungen durchgefuhrt. An deren Auswertung waren
zahlreiche Fachleute verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen beteiligt.
In einem breit gespannten interdisziplinaren Ansatz erfolgt, ausgehend
von der Einbettung des Quartiers in stadtebaulicher, bauhistorischer und
historischer Hinsicht durch Frank Mienhardt, Frank Lobbecke und Hilde
Bibby die Auswertung der Befunde durch Ralph Rober. Vorgelegt wird
daruber hinaus Fundmaterial aus Leder, Glas, Keramik und Metall durch
Dorothee Ade, Jori Fesser, Andrea Nolke, Ralph Rober sowie Serge und
Marquita Volken. Naturwissenschaftliche Untersuchungen von Ralf-Jurgen
Priloff und Edith Schmidt zu den Tierknochen und Uberresten von Insekten
erlauben Ruckschlusse auf die Ernahrung der Bewohner, sowie den
Pflanzenbewuchs und die hygienischen Verhaltnisse in diesem Areal.Die
altesten Funde, darunter eine Zwiebelknopffibel, stammen aus romischer
Zeit, sind allerdings verlagert. Trotz unmittelbarer Nahe zur
fruhmittelalterlichen Kirche St. Paul erfolgte eine Aufsiedlung erst ab
der zweiten Halfte des 11. Jahrhunderts. Noch um 1300 war die
Strassenfront nicht durch Hauser geschlossen. Es entwickelte sich in
dieser verkehrsgunstigen Lage ein sozial gehobenes Quartier, was sich im
archaologischen Material unter anderem durch die Reste von
Schutzbewaffnung, kostbaren Glasern und Gefassen fur die Destillation
aussert. Aber auch die Einfuhr von Heidelbeeren, vielleicht auch
Pfirsichen, Mandeln und Maulbeeren, bis zu Luxusgutern wie Feigen und
Granatapfeln zeigen die finanziellen Moglichkeiten der Bewohner. Im
Rahmen einer allgemeinen Blute der Stadt in der ersten Halfte des 14.
Jahrhunderts verlangte der Bebauungsdruck die Anlage von Hinterhausern.
Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts, in einer Zeit der religiosen und
politischen Krisen, aber auch von Hungersnot und Pest, ist ein
Stillstand zu beobachten, der erst im 15. Jahrhundert uberwunden wird.
Die Hinterhofe der Wohnhauser wurden multifunktional genutzt: Als Zier-
und Nutzgarten, zur Haltung von Kleinvieh, vielleicht auch zur
Aufstallung von Pferden und, wie es damals ublich war, zur Errichtung
von Latrinen. Nicht nur diese, sondern auch Misthaufen, modernde Holzer
und offen zutage liegende Lebensmittelreste haben ein hohes
Infektionsrisiko bedeutet, und es liess sich ein Befall der Bewohner
durch verschiedene Parasiten nachweisen.