Der Romerbrief von 1919 ist Karl Barths erstes Buch. In ihm kundigt sich
die theologische Wende von der liberalen Theologie des 19. Jahrhunderts
zur Dialektischen Theologie der Zwanziger Jahre an. Als Gemeindepfarrer
fragt Barth nach einer sachgemassen Grundlegung einer verantWortlichen
Verkundigung, Unterweisung und Seelsorge. Als Zeitgenosse ist Barth
bewegt von der im 1. Weltkrieg offenbar gewordenen Katastrophe eines
optimistischen Kulturprotestantismus und von der Dringlichkeit des
sozialen Problems. Antwort sucht Barth in einer neuen, intensiven
Zuwendung zur Heiligen Schrift. Nicht zufallig ist es der Romerbrief des
Paulus, an dem Barth dieses neue Hinhoren auf die Bibel einubt, also
jene Schrift, die auch fur Augustinus und fur Martin Luther
entscheidende Quelle fur die Reformation der Kirche gewesen ist. Die
Neuauflage des seit 17 Jahren vergriffenen Buches erhellt den
zweijahrigen konzentrierten Arbeitsprozess des Autors durch einen
Vergleich zwischen dem Manuskriptentwurf und der zum Teil vollig neu
geschriebenen Druckfassung. Sie gibt ferner zahlreiche Hinweise auf
verborgene zeitgeschichtliche Auseinandersetzungen. Karl Barth
(1886-1968) studierte Theologie in Bern, Berlin, Tubingen, Marburg und
war von 1909 bis 1921 Pfarrer in Genf und Safenwil. Mit seiner Auslegung
des Romerbriefes (1919, 1922) begann eine neue Epoche der evangelischen
Theologie. Dieses radikale Buch trug ihm einen Ruf als Honorarprofessor
nach Gottingen ein, spater wurde er Ordinarius in Munster und Bonn. Er
war Mitherausgeber von Zwischen den Zeiten (1923-1933), der Zeitschrift
der Dialektischen Theologie. Karl Barth war der Autor der Barmer
Theologischen Erklarung und Kopf des Widerstands gegen die
Gleichschaltung der Kirchen durch den Nationalsozialismus. 1935 wurde
Barth von der Bonner Universitat wegen Verweigerung des bedingungslosen
Fuhrereids entlassen. Er bekam sofort eine Professur in Basel, blieb
aber mit der Bekennenden Kirche in enger Verbindung. Sein Hauptwerk, Die
Kirchliche Dogmatik, ist die bedeutendste systematisch-theologische
Leistung des 20. Jahrhunderts.