Täglich erreichen mich Briefe, in denen beklagt wird, daß die Jugend in
Gefahr sei, in Orientierungslosigkeit und Verantwortungslosigkeit zu
versinken, und daß damit die Zukunft unserer Gesellschaft insg samt
gefahrdet sei. In diesen Briefen wird häufig auch die Überzeugung zum
Ausdruck gebracht, es bedürfe nur der überfälligen Einsicht des
zuständigen Ministers, eines Machtwortes am Kabinettstisch, und schon
ginge es mit der Erziehung der Jugend in die richtige Richtung. Meine
Erfahrungen im Amte des für Jugend zuständigen Bundesministers haben
mich gelehrt, daß es außer der Jugend nur ganz wenige Gruppen in unserer
Gesellschaft gibt, die weniger Vorurteile auf sich ziehen. Aus diesem
Grunde begrüße ich Publikationen wie "transfer 5 ", die uns über die
tatsächlichen Pro- bleme junger Menschen, ihre Ursachen und über
Lösungsmöglichkeiten infor- mieren. Dabei scheint es mir besonders
wichtig zu sein, daß wir die jungen Menschen als eigenständige Partner
betrachten und ihnen die Möglichkeit ein- räumen, ihre Probleme selbst
zu verarbeiten. Es geht nicht um eine Erziehung und Bildung, die nur
Abziehbilder der heute Erwachsenen im Auge hat, sondern darum, die junge
Generation so auszurüsten, daß sie mit den ihr von uns mitge- teilten
Erfahrungen zu einer befriedigenden Lebensgestaltung findet und bereit
ist, in sozialer Verantwortung einen Beitrag zur weiteren demokratischen
Ausge- staltung dieser Gesellschaft zu leisten. Wenn junge Menschen
dabei auch einmal unkonventionelle Wege erkunden wollen, so kann das
Erwachsene schon gelegentlich irritieren, sollte sie aber nicht zu
Vorurteilen verleiten.