Im allgemeinen wird auch Ferdinand Tönnies zu den Gründungsvätern der
mo- demen deutschen Soziologie gezählt. Er unterscheidet sich jedoch im
folgenden Punkt von Weber und Simmel: Die soziologischen Grundkategorien
von Tönnies - Wesenwille und Kürwille also - sind naturrechtlich; seine
Typen des menschli- chen Willens beziehen sich nicht auf einen
bestimmten Aspekt des menschlichen Kulturlebens (siehe dazu: Abschnitt
11; Anm. 5), sie umfassen vielmehr zwei Kulturformen - d. h.
Gemeinschaft und Gesellschaft - ganzheitlich. Tönnies steht also Comte
und Spencer näher als Weber und Simmel (vgl. Zander 1986; Bickel 1988;
Ringer 1983). Auffallend ist, daß trotz der Postition und Bedeutung von
Max Weber und Simmel in der Entwicklung der frühen deutschen Soziologie
die Forschung über die beiden Denker sehr asymmetrisch ausfällt. Die
Weberfor- schung ist seit vielen Jahren in starkem Auftrieb; man spricht
von der "Max We- ber-Renaissance", und sogar von der "Max
Weber-Industrie". Dies trifft für ver- schiedene Aspekte zu: Rezipiert
werden Webers Theorie, Methodologie, histori- sche Studien sowie
empirische Forschungen. Im Kontrast dazu fällt die Simmel- rezeption
spärlicher aus. Dies liegt unter anderem darin begründet, daß Simmel
viele Sinndimensionen der Modeme mit unterschiedlichen
Betrachtungsweisen zu bewältigen versucht, so daß empirische
Erkenntnisse und philosophisch-meta- physische Thematiken nebeneinander
stehen. Es fällt schwer, bei Simmel die Sy- stematik zu finden; bei der
Simmelrezeption konkurrieren positivistische, ästheti- zistische,
impressionistische und hegelianische Interpretationen (vgl. Schnabel
1984). Allerdings läßt sich feststellen, daß seit den 80er Jahren im
Zusammen- hang mit der Diskussion der, Modeme' bzw.