Der Wüstit, der als wichtigste Oxydphase in unberuhigten und
unvollständig beruhigten Stählen auftritt, ist im allgemeinen chemisch
leicht angreifbar. Bei anodischer Auflösung wird er passiviert. Er kann
in neutralen und schwachal- kalischen Elektrolyten praktisch vollständig
aus Stählen freigelegt werden. Um Nebenreaktionen zu vermeiden, ist es
zweckmäßig, die Elektrolysen unter poten- tiostatischen Bedingungen
durchzuführen. Die Abtrennung des freigelegten Wüstits von Karbiden und
Sulfiden ist schwie- rig. Bei üblicher Chlorierung wird die Struktur des
Wüstits unter dem Einfluß des Chlors verändert. Er wird stark
angegriffen und unter Umständen vollständig chloriert. Versuche, ihn
durch eine Chlorierung unter milden Bedingungen zu erhalten, führten zu
einem Verfahren mit einer Lösung von J odtrichlorid in Essigester. Man
erreicht dadurch zwar eine relativ schnelle Auflösung selbst grob
ausgeschiedenen Zementits. Die Lösung greift aber auch den Wüstit
merklich an, allerdings ohne seine Struktur zu verändern. In technischen
unberuhigten und teil beruhigten Stählen erfahren bei längerem Glühen
zwischen 800 und 1200°C der Wüstit und die daneben auftretenden Silikate
starke Veränderungen. Der Wüstit verschwindet dabei oft vollständig aus
dem Einschlußbild. Er bildet durch Reaktionen, die bei den Glühungen im
festen Zustand ablaufen, andere Phasen, vornehmlich wohl Ortho-Silikate.
Letz- tere gehen wieder in Meta-Silikate über. Diese Vorgänge lassen
sich nur an unchlorierten Isolaten studieren, da beim Chlorieren und
Sublimationsglühen Strukturveränderungen stattfinden. meta-Silikate
erweisen sich jedoch sowohl bei Wärmebehandlungen im festen Stahl als
auch bei Reaktionen mit Chlor als recht beständig. 41 D)
Literaturverzeichnis [1] HESSENBRUCH, W., und P. OBERHOFFER, Arch.
Eisenhüttenwes. 1 (1927/28), S.583-603.