Die Studie geht kritisch und weiterfuhrend aus von Volkhard Wels
Gegenmodell zu Hans-Georg Kempers "Vorgeschichte der Naturlyrik" (in:
Zeitsprunge 16 [2012], S. 243-284). Wahrend Kemper den Pantheismus in
der Lyrik des 17. Jahrhunderts und des Sturm und Drang aus der
hermetischen Tradition herleitet, stimmen fur Wels die Naturauffassungen
in der Lyrik dieser Epoche mit den "orthodoxen" Positionen Luthers und
Melanchthons uberein. Zuletzt hat Wels auch die Hermetik als historische
Kategorie verworfen und durch einen neu definierten, gegen das
kirchenoffizielle Luthertum gerichteten "radikalen Spiritualismus"
ersetzt, der Dichtung als weltliche Kunst ablehnt. Dagegen pladiert
Kemper in dieser Studie fur eine differenziertere historische
Perspektivierung: Erstens fasst er das Luthertum als plurale
Glaubensgemeinschaft, in der pantheistische Positionen Fua fassen
konnten, zweitens behalt er die Kategorie des "Hermetischen" als
historisch alteres Erklarungsmodell fur pantheistische Positionen bei,
das auch in humanistische und sakulare Kontexte hineinwirkte, und nutzt
sie zur Absetzung gegenuber einem "mystischen" Spiritualismus, der
hermetische Vorstellungen christlich umdeutete.