In vielen Studienordnungen für das Mathematik-Studium an deut- schen
Hochschulen sind einführende Vorlesungen über Stochastik
(Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematische Statistik) vorgese- hen,
an denen sowohl Hörer teilnehmen, die sich im Verlauf ihres Studiums
verstärkt mit Stochastik befassen wollen, als auch solche, die sich
anschließend anderen Bereichen der Mathematik zuwenden. Will man der
ersten Gruppe gerecht werden, so liegt es nahe, zunächst systematisch
ein maßtheoretisches Fundament zu schaffen, um erst danach zu den
eigentlich stochastischen Fragestellungen überzuleiten. Hierbei kommt
allerdings die zweite Gruppe zu kurz, die natürlicherweise dar an
interessiert ist, einen bis zu einem gewissen Grad in sich
abgeschlossenen Einblick in Denkweisen und Methoden der Stochastik zu
erhalten, die jedoch kein Interesse dar- an hat, einen Großteil der zur
Verfügung stehenden Zeit einer sy- stematischen Erarbeitung
maßtheoretischer Grundlagen zu opfern. Viele Autoren haben den
Bedürfnissen der letztgenannten Gruppe da- durch Rechnung getragen, daß
sie unter Verzicht auf maßtheoreti- sche Begriffsbildungen die
grundlegenden Ideen der Stochastik an- hand spezieller Modelle, bei
denen keine maßtheoretischen Kennt- nisse benötigt werden, entwickeln.
Aber auch diese Vorgehensweise birgt Nachteile: Solche, meist als
"elementar" bezeichneten Darstellungen sind wenig praktikabel als Basis
für weiterführende Veranstaltungen der Stochastik. Eini- ge Mühe muß
später darauf verwendet werden, die anhand von Spezial- fällen
entwickelten Begriffe in maßtheoretischem Gewand erneut zu formulieren
und auf ihre Konsistenz mit den alten Begriffen zu überprüfen.