Dieses Buch ist aus Vorlesungen und Übungen entstanden, die ich mehrfach
an der Universität Karlsruhe für Mathematiker, Physiker, Ingenieure und
Informati- ker gehalten habe. Es ist so geschrieben, daß es zum
Selbststudium dienen kann: Die Gedankengänge sind ausgiebig motiviert,
die Beweise detailliert, und an durchgerechneten Beispielen und gelösten
Aufgaben herrscht kein Mangel. Bei der Abfassung schwebte mir vor, nicht
nur ein theoretisches Gerüst aufzubau- en, sondern auch eine Brücke zu
den Anwendungen zu schlagen. Damit wollte ich zweierlei erreichen:
erstens wollte ich ganz nüchtern und pragmatisch den Stu- denten der
Mathematik auf seine spätere Zusammenarbeit mit Naturwissenschaft- lern
und Ingenieuren einstimmen und im gleichen Atemzug auch dem "Anwen- der"
den Zugang zu den Differentialgleichungen erleichtern. Zweitens wollte
ich - weniger nüchtern und weniger pragmatisch - den Leser auf etwas
hinweisen, das zu den Wundern und Kraftquellen unserer Kultur gehört:
auf die Tatsache, daß "reines" Denken, "Hirn-Gespinst" - eben
Mathematik - die reale Welt nach- zeichnen und umgestalten kann. Das
Staunen hierüber hat denn auch alle Philo- sophen ergriffen, die nicht
bloß Schwadroneure waren. Und noch Einstein fragte verwundert: "Wie ist
es möglich, daß die Mathematik, letztlich doch ein Produkt menschlichen
Denkens, unabhängig von der Erfahrung, den wirklichen Gegeben- heiten so
wunderbar entspricht?" Die wissenschaftliche Revolution, die uns noch
immer treibt und drängt und drückt, diese sehr revolutionäre Revolution,
hat im 17. Jahrhundert begonnen, und ihre Bastillestürmer waren
"Hirngespinste" par ex- cellence: Newtonsche Fluxionen und Leibnizsche
Differentiale.