"Jenseits von Wahrheit galt nichts für echt." Aus diesem Satz, mit dem
Chri- stoph Dieckmann 1996 in der Zeit eine besondere ostdeutsche
Affinität zur Ernsthaftigkeit im Umgang mit der Welt der Realitäten
beschreibt, spricht die ganze "altmodische" Suche nach unumstößlicher
Wahrheit in der alten DDR. Zugleich sieht Dieckmann im emphatischen
Verhältnis zur Wahrheit auch eine spezielle Beziehung zu der Sprache,
über die sie vermittelt werden sollte, beschlossen: Sie hätte in der DDR
öffentliche Wahrheit und damit Freiheit verbürgen können und müssen -
"Freiheit mußte freie Sprache sein, öffentliche Wahrheit" - aber sie
habe es nur in Ausnahmefällen getan. Des- halb auch konzentrierte sich
der Widerstand in der DDR zu einem wesentli- chen Teil auf die Sprache:
"Opposition in der DDR war Widerstand der Sprache." (ebd.) Erhielt die
Sprache ihre eigentliche Funktion, nämlich Wahrheit öffentlich zu
machen, zurück, so bewies derjenige, der sie so ge- brauchte, nicht nur
seine Freiheit gegenüber den herrschenden Zuständen, sondern fand sich
unversehens in der Opposition wieder.