Zu den Aufgaben einer Akademie der Wissenschaften gehoren nieht nur die
sogenannten Langzeitvorhaben wie die Herausgabe des Grimmschen Worterbu-
ches oder des von der Nordrhein-Westfalischen Akademie betreuten
Reallexikons und Jahrbuches fiir Antike und Christentum oder - in den
monatlichen Sitzungen der beiden Klassen fiir Geisteswissenschaften und
fiir Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften - die Diskussion
wissenschaftlicher Themen und Entwieklungen, sondem es ist auch eine gem
iibemommene Verpflichtung der Akademie, intemationale Symposien zu
bestimmten Fragen der Wissenschaft anzuregen und zu unterstiitzen. In
einer Zeit, in der man von der schriftlichen Tradition zu den
sogenannten Neuen Medien iiberzugehen scheint, ist es sicherlich
berechtigt, den Blick zuriickzulenken auf eine Epoche, in der es noch
keine oder nur eine unzureichende schriftliche Tradierung gab, oder auf
Ethnien, in denen heute noch die iilteste Kommunikations- methodik der
oralen Dbertragung dichterischer Erzeugnisse lebendig ist. Wiihrend man
in friiheren Jahrhunderten derartige miindliche Quellen weitgehend
vemach- liissigte, ist es in Europa seit d m 19. Jahrhundert zu einer
intensiven Beschiiftigung mit diesem wiehtigen, bis heute in vielen
Teilen der Welt brachliegenden Quellenmaterial gekommen. Gerade ein
Medizinhistoriker wie ich, der sich derartiger miindlicher
Uberlieferungen bei seinen Untersuchungen iiber die Ethno- medizin
verschiedenster Volkerschaften zu bedienen hat, darf sich besonders
freuen, daB von sachkundigen Kennem Formen und Funktion dieser
miindlichen Traditionen in aller Welt behandelt werden und damit neue
AnstoBe zu einer intensiveren Beschiiftigung mit dieser
Forschungsrichtung gegeben werden.