Zeitungsberichte über den Boxeraufstand machten die Porträtmalerin
darauf aufmerksam, dass man nach China reisen und sogar in Berlin
Chinesisch lernen könnte. Also erkämpfte sie sich den Zugang zum Seminar
für Orientalische Sprachen (Frauen waren da nicht vorgesehen) und ging
als Hauslehrerin des Seezollbeamten Gustav Detring (1842-1913) nach
Tianjin; sie wechselte dann als Lehrerin zu den neugegründeten
chinesischen Mädchenschulen. Eigentlich hatte sie gehofft, am Kaiserhof
Porträtaufträge zu bekommen, was aber nicht gelang, und so wurde sie zur
Vorkämpferin für eine Verbesserung der Mädchenbildung. Aber deutsches
Interesse an diesem Thema war gering; man traute einer Frau kein
tatkräftiges Engagement zu. Während ihres Aufenthalts in China
(1905-1912) führte sie ein Tagebuch, von dem sich nur ein Fragment
erhalten hat, und übersetzte das poetische Werk des Dichters Tao
Yuanming (?365-427) ins Deutsche. Wieder in Deutschland, arbeitete sie
acht Jahre für das Berliner Museum für Völkerkunde, publizierte und
besuchte für einige Jahre Chile, wo ihr Bruder lebte. Das vorliegende
Buch bringt neben einem Schriftenverzeichnis Anna Bernhardis
Autobiographisches über ihre künstlerischen Kontakte, einige erhaltene
Porträts, eigene Gedichte und kleine Beiträge, das China-Tagebuch und
Briefe, so an den Kulturpolitiker Paul Rohrbach, den Ethnologen Robert
Lehmann-Nitsche (1872-1938), den Altorientalisten H. H. Figulla
(1885-1969) sowie von dem Tibetologen Albert Grünwedel (1856-1935) und
dem Germanisten Fr. von Suhtscheck (1883-1944). Mit Register.