1898 wurde auf meine Abteilung der Med. Klinik in Heidelberg eine
63jahrige Frau gelegt mit einem Leiden, wie es weder mein Chef, Geh. Rat
ERB, noch einer meiner Mitarbeiter je gesehen hatten. Die Untersuchung
ergab ein tiber faustgroBes Divertikel der Speiserohre. Die Frau starb
den Hungertod. lch machte in ihrem Heimatort die Sektion (s. Abb. 25).
Bei Durchsicht der Literatur muBte ich feststellen, daB unsere
Kenntnisse tiber die Speiserohre auBerst dtirftig sind. Die frtiheren
Lehrbticher der Verdauungskrankheiten begannen meist mit dem Magen, als
gabe es gar keine Speiserohre. Die alte Wiener Sehule beschaftigte sich
hauptsachlich mit del" Behand- lung von Strikturen nach Veratzungen;
ZENKER und v. ZIEMSSEN hatten bereits in klassiseher Form wichtige
Krankheiten, vorwiegend vom ana- tomischen Standpunkt, beschrieben. 1m
librigen handelte es sieh meist um kasuistische Beitrage. Uber die
diffusen Erweiterungen, sog. Kardiospasmus, lag nur die Be- schreibung
einzelner FaIle auf Grund von Sektionsbefunden vor. Eine Dia- gnose am
Lebenden war noch nicht moglich. lch ging nun an die Erforschung der
Krankheiten der Speiserohre, beschaf- tigte mich lange mit
tierexperimentellen Studien, insbesondere tiber die Be- deutung des
Nervus vagus flir die Speiserohre. Auf die Publikation des oben
genannten Falles hin wurden mir zahlreiche Speiserohrenkranke
zugeschickt, 80 daB bereits 1900 meine Monographie tiber "Die Divertikel
der Speiserohre" erseheinen konnte. Dann widmete ich mich der
Osophagoskopie an Tier und Mensch, und 1905 kam mein "Lehrbuch der
Osophagoskopie" heraus, das bereits eine Klinik der
Speiserohrenkrankheiten enthielt.