Nur höchst selten beobachtet man in der Medizin, daß eine längst
bekannte Erkrankung bzw. Krankheitsgruppe durch die Entdeckung auf einem
ganz an- deren Gebiet eine so überraschende und befriedigende Erklärung
findet, wie dieses bei der fötalen Erythroblastose durch die Auffindung
des Rh-Faktors der Fall gewesen ist. Die Bilder des Hydrops foetus
universalis, des Icterus gravis und auch der Neugeborenen-Anämie sind
sehr lange bekannt. Aber erst v. GIERKE (1921) brachte sie auf einen
Nenner, indem er das Gemeinsame mancher Veränderungen heraushob, ohne
allerdings eine brauchbare Erklärung für die Pathogenese dieser sich so
verschieden darbietenden Erscheinungen bringen zu können. Erst die neuen
Entdeckungen, insbesondere amerikanischer Forscher, auf dem Gebiet der
Blutgruppen brachten plötzlich Licht in das unklare Geschehen, für das
so viele Theorien aufgestellt waren. Nachdem nuh die engen Zusammenhänge
zwischen dem eigenartigen Verhal- ten des Blutes der Eltern und der
Erkrankung der Frucht einwandfrei festgelegt waren, zeigte sich
überraschend die ungeheuere praktische Bedeutung und die zahlenmäßige
Ausdehnung des ganzen Problems, aber auch manche Schwierigkeit in der
Beweisführung. Während des Krieges sind diese Forschungen gerade in
angelsächsischen Län- dern schnell vorwärtsgetrieben worden, während
sich in Deutschland nur ganz vereinzelte Autoren damit befaßten.