1. 1 Zum Untersuchungsgegenstand Ein eigenstandiges und auch so
bezeichnetes "Sozialrecht" hat sich in Ge- setzgebung und Rechtslehre
der DDR bis zur, Wende' 1989 nicht heraus- gebildet. I Andererseits gab
es sicherlich dort eine Menge "Recht, das durch seinen sozialpolitischen
Zweck gepragt"2 war, also im weitesten Sinne als Sozialrecht verstanden
werden kann. Zwischen diesen beiden Polen, einer Fehlmeldung
hinsichtlich eines Sozialrechts und der Betrachtung nahezu der gesamten
Rechtsordnung der DDR3 als Sozialrecht, sollte eine zugleich moglichst
trennscharfe wie angemessene Abgrenzung des Untersuchungsge- 4
genstandes vorgenommen werden. Ankntipfen kann man dabei an den all-
taglichen wie den elaborierten Sprachgebrauch, bei dem drei Bedeutungs-
ebenen auszumachen sind. Zunachst ist ein sozialer Mensch jemand, der
hilft und teilt; in diesem Sinne ware Sozialrecht das Recht der
(personlichen, sachlichen und finanziellen) Sozialleistungen. Dann ist
auf einer komplexe- ren Stufe ein sozialer Ansatz ein solcher, der bei
der Diagnose und Therapie von defizitaren Lagen weniger einzelne
Personen in den Blick nimmt, son- dern auf groBere, meist
sozio-okonomisch bestimmte Gruppen oder soziale Rollen abstellt. 1m
Recht ware das die beobachtbare Methode, die schwache- ren Partner von
Rechtsverhaltnissen wie etwa Beschaftigte oder Mieter nor- mativ
aufzurtisten, indem ihnen einseitig Rechtsgestaltungsmoglichkeiten Vor
Oriindung der DDR war eine Textzusammenstellung mit dem Titel
"Sozialrecht in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands", hrsg. von
W. Holling, Berlin 1949, er- schienen, die die Untergruppen
"Arbeitsrecht. Sozialversicherungsrecht. Sozialfiirsorge- recht"
umfasste, also dem Sprachgebrauch des franzosischen droit social folgte,
der spa- ter aber nicht weitergefiihrt wurde.