\In der Geschichte der Kultur, also auch der Heilkunde, des
Mittelalters begegnen wir zunächst den Arabern. Diese haben zuerst die
hellenistische Bildung aufgenommen und verarbeitet und später den
Völkern des Abendlandes überliefert. Die Leistungen der Araber werden
verschieden beurteilt, neuerdings mit wachsender Anerkennung; doch sind
unsre Kenntnisse von denselben noch recht oberflächlich. Die arabische
Literaturgeschichte, sei es die allgemeine, sei es die besondere
ärztliche, bewegt sich bis heute noch hauptsächlich auf dem bio- und
biblio-graphischen Gebiete. Das ungeheure handschriftliche Material der
arabischen Werke über Heilkunde ruht noch im Staube der Bibliotheken.
Wir wissen nicht einmal, ob und wie weit die Herausgabe desselben sich
verlohnen würde. Nur wenige Schriften von al-Razi über die Pocken, von
demselben über den Blasenstein, der Kanon des Ibn Sina und die Chirurgie
des Abul-Kasim sind arabisch herausgegeben. Wir haben es unternommen,
aus dem arabischen Text des Kanon denjenigen Abschnitt, welcher von der
Augenheilkunde handelt, möglichst getreu, nicht möglichst elegant, in\s
Deutsche zu übertragen, und hoffen dadurch sowohl Ärzten und Augenärzten
und allen, die für Kultur-Geschichte sich interessieren, ein inhaltlich
wichtiges Büchlein zu liefern, als auch denjenigen Kennern des
Arabischen, welche mit der Sprache der exakten Wissenschaften sich
vertraut machen wollen, einen brauchbaren Übungsstoff an die Hand zu
geben.\ Dieses Buch über die Augenheilkunde des Ibn Sina ist ein
unveränderter Nachdruck der Originalausgabe von 1902.