Eine sehr reizvolle Aufgabe mathematikhistorischer Forschung besteht
darin, die Geschichte bestimmter mathematischer Aufgabentypen und
Lösungsmethoden zu erforschen. Es ist schon lange bekannt, daß oft
dieselben Probleme zu verschiedenen Zeiten und in von- einander weit
entfernten Kulturkreisen behandelt wurden. Dabei nimmt man an, daß
manche Probleme des augewandten Rechnens Bestandteil der Literatur
vieler Völker sind, ohne daß man eine gegenseitige Beeinflussung
vermuten darf. Wenn allerdings eine Aufgabe mit denselben nicht zu
einfachen Zahlenwerten in verschiedenen Quellen überliefert wird, muß
man an eine Abhängigkeit denken. Es ist jedoch auch in diesen Fällen
gegenwärtig noch nicht möglich, zu sicheren Erkenntnissen über den Weg
eines Problems zu gelangen; dazu sind die kulturellen Beziehungen
zwischen den Völkern zu komplex und in den Einzelheiten zu wenig
geklärt. Gemeinsam mit Mathematikhistorikern müßten hier Vertreter
anderer historischer Disziplinen wie Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
aber auch die Philologen mitarbeiten. Eine solche Arbeit könnte dazu
beitragen, _ die kulturellen Leistungen der be- teiligten Völker, die
Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede ihrer wissenschaftlichen
Entwicklung herauszuarbeiten und dabei insbesondere den
europazentrischen Standpunkt zu überwinden, der immer noch viele
wissenschaftshistorische Darstellungen beherrscht. Als Vorarbeit für
eine derart anspruchsvolle Untersuchung stellt sich dem Mathematik-
historiker zunächst die Aufgabe, die zahlreichen Sammlungen praktischer
Mathematik zu untersuchen, festzustellen, wo das einzelne Problem oder
die verwendete Methode sich erst- mals findet, und - wenn möglich -
Aussagen über Entstehung und Einfluß der betreffenden Sammlung zu
machen. Gerade in den letzten Jahrzehnten sind hier neue Untersuchungen
erschienen. So hat K.