Kaum eine der hochgesteckten Erwartungen an das Ende des
Ost-West-Konflikts hat sich schon erfüllt. Die Spaltung Europas dauert
an. Aus dem Graben zwischen Blöcken und Ideologien wurde ein Steilhang
des Wohlstandes und der Stabilität. Sogar Frieden, die als
selbstverständlich und zwangsläufig erachtete Folgewirkung des
historischen Um- bruchs, blieb eine Hoffnung; Krieg ist die Realität.
Viele Menschen in den neuen Konflikt-und Bürgerkriegsgebieten Europas
können nicht einmal das elementare Menschen- recht auf Leben und
körperliche Unversehrtheit in Anspruch nehmen. Daß keines der
gravierenden Probleme Europas gelöst werden kann, solange die
Sicherheitsfrage nicht gelöst sein wird, macht die Neuordnung der
europäischen Sicherheit zu einem dringenden Erfordernis. Die vorhandenen
internationalen Organisationen haben diese Herausforderung nicht
bestanden. Die verbliebenen militärischen Bündnisse -NATO und WEU
-reservieren die Sicherheit, die sie gewähren, für ihre Mitglieder. Sie
schrei- ben damit die Teilung des Kontinents in Zonen ungleicher
Sicherheit fort. Die welt-und europaweiten Organisationen- UNO und KSZE
-verfügen zwar über mehr oder minder problemkonforme Regelwerke, nicht
aber über die nötigen Kompetenzen, Organe und Instrumente zu deren
Umset- zung. Sie handeln, wenn überhaupt, zu spät oder zu schwach. Aus
den strukturellen Mängeln der bestehenden zwischen- und überstaatlichen
Einrichtungen für Frieden und Sicher- heit in Europa läßt sich der
Gegenentwurf einer effizienten, funktions- und akzeptanzfähigen
gesamteuropäischen Sicherheitsorganisation entwickeln. Diese Aufgabe hat
sich das IFSH gestellt. Das Ergebnis der mehrmonatigen ge- meinsamen
Arbeit fassen die nachstehenden Ausführungen zusammen. Die
vorgeschlagene Organisation trägt die Be- zeichnung "Europäische
Sicherheitsgemeinschajt" (ESG).