Abschied von der Nachkriegszeit? Wenn man heute die Zentren der groBen
Stadte betrachtet, sind die Zeichen eines tiefgreifenden Wandels
planerischer Leitvorstellungen und gestalterischer Orientie- rungen
uniibersehbar: Liebevoll herausgeputzt, werden die vor wenigen Jahren
noch verachteten und yom AbriB bedrohten Altbauten wieder als
Schmuckstiicke im Stadt- bild geschatzt. Stolz erhebt sich die alte
Pracht wilhelminischer Architektur neben dem neuen Glanz einer
wiederentdeckten Stadt-Bau-Kunst mit AIleen und Achsen, Passagen,
Platzen und Fassadenfolgen, aufgefiillt mit den erker-, gauben- und
bogen- bestiickten Hausscheiben der Bauherrenmodelle. Programmatisch
wird indessen von der Reparatur der Stiidte gesprochen, als hatte die
Planung zuvor allein der Zerstorung gedient, der nun Einhalt geboten
sei: endlich Ende des Bauens als Umweltzerstorung?1 Mit Gesten des
Abscheus vor den gebauten Resultaten der Nachkriegszeit vollzieht sich
eine vordergriindige Hinwendung zur Geschichte zugleich als Abkehr von
der jiingsten Vergangenheit - in heimlicher Sehnsucht nach besseren,
groBeren Zeiten. 1m weiten Riickblick auf die herrschaftliche Baukultur
vergangener Epochen wird die Sicht auf die letzten J ahrzehnte unscharf.
Die Jahre vor der Proklamation der neu- en Geschichtstrachtigkeit, die
seit dem Denkmalschutzjahr 1975 standig neue Ergeb- nisse zeitigt,
versinken im Nebel schneller Verallgemeinerung. Konturen werden ver-
wischt, die Bauten der Nachkriegszeit erscheinen als graue Sammlung von
Kisten und Containern, als Sperrmiill der Moderne: trivialer
Funktionalismus als miBratenes Er- be der zwanziger Jahre.